Bei einem von etwa 20 000 neugeborenen Kindern ist ein Angelman-Syndrom zu erwarten, das der britische Kinderneurologe Harry Angelman 1965 erstmals beschrieben hat.
Diesem Syndrom liegt eine Genveränderung im langen Arm eines Chromosoms 15 zugrunde. Sie führt zu einem charakteristischen Erscheinungsbild, das bei Kleinkindern mit verzögerter Motorik, auffälligigen Bewegungsmustern, stark reduziertem Sprechvermögen, Krampfneigung, fröhlicher Grundstimmung mit häufig unmotiviert wirkendem Lachen und charakteristischen Gesichtszügen vermutet wwerden kann. Die Phänotypdiagnose wird in einem humangenetischen Labor überprüft, wenn die Eltern es wünschen. Kinder mit Angelman-Syndrom haben entweder eine Mikrodeletion im mütterlichen Chromosom 15 oder - (seltener) - zwei väterliche Chromosomen 15 und keines von der Mutter (paternale Disomie). Auch molekulare Mutationen im Bereich 15q11.2 können Ursache dieses Erscheinungsbildes sein. Alle diese Veränderungen haben einen Funktionsverluste des hier lokalisierten UBE3A Gens zur Folge. „Ihrem Kind fehlt eine Gensequenz im mütterlichen Chromosom 15“, hören die Eltern. "Das bedeutet eine schwere körperliche und geistige Entwicklungsverzögerung. Ihr Kind wird schwer behindert sein und kein eigenständiges Leben führen können". Dies stürzt Eltern in einen seelischen Abgrund. Sie verlieren ihre Wunschkindimaginationen und ihre intuitive Erziehungskompetenz. Ihr Kind, das sich von Anfang an nach einem anderen Genprogramm entwickelte, als sie erwarten konnten, wird ihnen fremd. Sie lernen seine seltene genetische Disposition kennen, die für das Kind völlig normal ist. Es will so, wie es ist, angenommen, ernst genommen und erzogen werden. Seine Umgebung zweifelt jedoch fast immer an seinen Fähigkeiten, die Welt wie andere Kinder zu verstehen. Die auffällige Motorik und das spontane Verhalten werden irrtümlich als Zeichen einer geistigen Behinderung gewertet und eine sinnvolle Teilhabe an den Aktivitäten des normalen sozialen Lebens für unmöglich gehalten. Aufgrund unserer Erfahrungen teilen wir diese Sichtweise nicht, die zu einer Unterschätzung seiner primär vorhandenen geistigen Potenziale führen muss. Da uns die Neurowissenschaften zeigten, dass sich das menschliche Denkorgan erst nach der Geburt und unter dem Einfluss der Umwelt entwickelt, gehen wir heute davon aus, dass auch Kinder mit Angelman-Syndrom von Anfang an normale Erfahrungen benötigen, um ihre geistigen Potenziale im Rahmen einer normalen Erziehung zu entwickeln. Montessori-Therapie unterstützt Eltern und Fachleute bei dieser Erziehungsaufgabe.
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